31. Dezember 2019: Die Gesundheitsbehörde der chinesischen Millionenstadt Wuhan informiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über den Ausbruch einer bislang unbekannten Lungenkrankheit. Am 7. Januar 2020 wird eine neuartige Variante des Coronavirus als Verursacher identifiziert. Am 30. Januar ruft die WHO die internationale Gesundheitsnotlage aus. Die Corona-Pandemie breitet sich in rasender Geschwindigkeit aus und verändert die Welt, wie wir sie kannten. Das ifo Institut zeigte schon zu Beginn der Pandemie, dass Eindämmung der Infektionszahlen und Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen Hand in Hand gehen – nicht im Zielkonflikt stehen, wie viele behaupteten.


Weltweite wirtschaftliche Auswirkungen
Am 22. Februar 2020 werden beim G-20-Gipfel in Riad in Saudi-Arabien die weltweiten wirtschaftlichen Folgen des Corona-Ausbruchs diskutiert. Noch gibt es Hoffnung, dass die Ausbreitung des Virus eingedämmt werden kann und es nur zu einem kurzfristigen Einbruch der Wirtschaft kommt. Doch es ist bereits zu spät. Schon im Februar verzeichnen die internationalen Finanzmärkte einen dramatischen Kursverfall. Die Welt steht vor einer schweren Wirtschaftskrise. Das ifo Institut veröffentlicht erstmals in seiner Geschichte am 19. März einen Zwischenstand des Geschäftsklimaindex, der den stärksten Rückgang der Geschäftserwartungen in seiner 70-jährigen Geschichte verzeichnet. Auch andere Indikatoren zeigen enorme Einbrüche. Nach einer Einschätzung von ifo-Präsident Clemens Fuest droht eine Weltwirtschaftskrise mit dramatischeren Folgen als die Finanzkrise 2009.
"Es ist ernst, nehmen sie es auch ernst!"
Mit diesen dramatischen Worten wandte sich Angela Merkel am 18. März 2020 in einer Fernsehansprache an die deutsche Bevölkerung. Und wie ernst die Folgen der Pandemie nicht nur für Leben und Gesundheit der Menschen, sondern auch für den Wohlstand waren, zeigten die im Februar 2022 angestellten Berechnungen des ifo Instituts. Corona verursachte der Bundesrepublik 2020 und 2021 wirtschaftliche Ausfälle in Höhe von 330 Mrd. Euro, das bedeutet ein Minus von 10% im Vergleich zur Wirtschaftsleistung des Jahres 2019. Vor der Pandemie war für diese Jahre ein Wirtschaftswachstum von 1,3% prognostiziert worden.


Außergewöhnliche Maßnahmen
Die Virologin Melanie Brinkmann, der Soziologe Heinz Bude, der Internist Michael Hallek, die Politologen Maximilian Mayer und Elvira Rosert und die Physiker Michael Meyer-Hermann und Matthias Schneider sowie die Ökonomen Clemens Fuest und Andreas Peichl: Insgesamt 13 Forschende aus verschiedenen Disziplinen veröffentlichten im Januar 2021 ein gemeinsames Papier zur Bekämpfung der Pandemie. Ihr Hauptziel: Die Infektionen stark senken, aber gleichzeitig die Industrieproduktion aufrechterhalten und durch umfangreiches Testen lokale Öffnungen ermöglichen. Eine Test-, Kontaktverfolgungs- und Isolationsstrategie sowie lokales Ausbruchsmanagement gehörten ebenfalls zu den Plänen. Phasen, die rigorose Maßnahmen erforderten, würden immer wieder von solchen abgelöst, die Lockerungen erlaubten. Die Strategie sollte ein Infektionsschutzkonzept für die gesamte Europäische Union sein.
Wirtschaft unter Druck
Während der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020 musste vor allem die deutsche Industrie starke Einbußen hinnehmen. Das lag an den Lockdowns und Betriebsschließungen, aber auch an den Behinderungen des internationalen Warenverkehrs und der zunehmenden Rezession in wichtigen Außenhandelspartnerländern. So gingen die deutschen Warenexporte im März und April 2020 um fast 33% zurück, die Industrieproduktion verzeichnete ein Minus von etwa 25%.
Wirtschaftszweige, bei denen es auf den persönlichen Kontakt mit den Kund*innen ankommt, erlebten eine rasante Talfahrt. Betroffen waren vor allem der stationäre Einzelhandel, Hotel- und Gastgewerbe, Kunst und Unterhaltung sowie Dienstleistungsbetriebe wie Friseursalons oder Kosmetikstudios. Im stationären Einzelhandel waren 2020 ungefähr 3,3 Mio. Menschen tätig, im Hotel- und Gastgewerbe 2,4 Mio., im Bereich Kunst und Kultur 1,3 Mio. und im sozialen Dienstleistungsgewerbe immerhin 0,3 Mio.


Staatliche Hilfe in Deutschland
Angesichts dieser dramatischen Entwicklungen beschloss die Bundesregierung umfassende Hilfspakete. So wurden etwa die Einkommenseinbußen der bis Ende April 2020 gemeldeten 10,2 Mio. Kurzarbeiter*innen – ein in dieser Höhe noch nie erreichter Wert – durch Ausgleichszahlungen abgefedert. Die Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen konnten die erwartete Insolvenzwelle verhindern. Das am 3. Juni von Finanzminister Olaf Scholz als „Wumms“ bezeichnete Konjunkturpaket von 130 Mrd. Euro war, anders als die zeitlich begrenzten und zielgerichteten Hilfsmaßnahmen, auf das zukünftige Wirtschaftswachstum und Innovationen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gerichtet.
Schüler ohne Schule
Vor besondere Herausforderungen stellte die Coronakrise das Bildungssystem. Umfragen des ifo Instituts kamen zu dem Ergebnis, dass durch Schulschließungen die Zeit, in der sich Schüler*innen gemeinsam mit den Unterrichtsstoffen auseinandersetzen konnten, halbiert worden war. Der Distanzunterricht konnte diese Lücke nicht ausgleichen. Außerdem führte der Lockdown dazu, dass Kinder deutlich mehr Zeit mit Smartphones und Computern verbrachten. Wuchsen sie in bildungsfernen Familien auf, waren sie besonders stark benachteiligt, weil ihnen zu Hause niemand beim Lernen helfen konnte. Außerdem zeigte sich ein großer Nachholbedarf bei der Entwicklung digitaler Lehrmethoden in Deutschland. Die während der Corona-Pandemie nicht erworbenen Kompetenzen, so die Einschätzung des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, können Konsequenzen und Auswirkungen auf die berufliche Zukunft haben und das Lebenseinkommen um etwa 3% verringern – die Auswirkungen auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft wären vorhersehbar schlecht.


Nach der Krise...
Im April 2023 verkündete Gesundheitsminister Karl Lauterbach das Ende der Corona-Schutzmaßnahmen, die langfristigen Folgen der Pandemie bleiben jedoch gravierend. Nach Schätzungen der WHO fielen ihr 6 bis 8 Mio. Menschen zum Opfer, 65 Mio. litten oder leiden noch immer unter Long Covid. Der Trend zum Homeoffice stellte viele Unternehmen vor die Herausforderung, die Digitalisierung ihrer Arbeitsprozesse noch entschiedener voranzutreiben. Der Büroalltag und das berufliche Miteinander müssen neu definiert werden. Leerstehende Bürogebäude und der Aufschwung des Onlinehandels verändern die Anforderungen an die Infrastruktur der Städte.
In vielen Bereichen wurde die Krise aber auch als Chance begriffen, wichtige Strukturveränderungen auf den Weg zu bringen, die neues Wachstumspotenzial freisetzen. Entwicklungsaussichten in allen Bereichen, vom ökologischen Umbau der Wirtschaft bis zum Ausbau des europäischen Binnenmarkts, ließen die Forschenden auf eine rasche Erholung der Wirtschaft und eine Konsolidierung der Staatsfinanzen hoffen. Doch diese Hoffnungen wurden mit dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine am 24. Februar 2022 beendet.