Ludwig Erhard: Wissenschaftler. Bundeskanzler. Visionär.

Mit dem Namen Ludwig Erhard verbindet sich vor allem die Idee der Sozialen Marktwirtschaft, der bis heute die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland folgt. Erhards politische Karriere führte ihn ins Amt des Bundesministers für Wirtschaft unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (1949 - 1963). Sie gipfelte im Amt des Bundeskanzlers, das er von 1963 bis 1966 bekleidete. Erhard spielte eine wichtige Rolle bei der Gründung des ifo Instituts.

Portrait Ludwig Erhards auf der Rückseite einer DM-Münze, Shutterstock | Vladimir Wrangel
Ludwig Erhard als Soldat 1917, ullstein bild - BPA
Ludwig Erhard als Soldat im Ersten Weltkrieg, 1917.

Akademische Laufbahn statt Textilgeschäft

Geboren wurde Ludwig Erhard am 4. Februar 1897 im bayerischen Fürth. Nach dem Besuch der Volks- und Realschule sowie dem Abschluss einer Lehre als Weißwarenhändler im Jahr 1916 sollte er das elterliche Textilgeschäft übernehmen. Doch es kam erst einmal anders: Trotz eines durch Kinderlähmung deformierten Fußes kämpfte Erhard ab 1916 als Soldat im Ersten Weltkrieg. 1918 wurde er bei Ypern (Belgien) schwer verwundet und schied 1919 aus dem Militärdienst aus.

Statt in das väterliche Geschäft einzusteigen, nahm er ein Studium an der Handelshochschule Nürnberg auf, das er 1922 als Diplom-Kaufmann abschloss. Daraufhin studierte er Betriebswirtschaft, Nationalökonomie und Soziologie an der Universität Frankfurt, interessierte sich aber besonders für Volkswirtschaft: Er selbst bezeichnete sich einmal als Studenten, „der Betriebswirtschaft lernen wollte, aber von volkswirtschaftlichem Eifer besessen“ gewesen sei. 1925 promovierte Erhard und stieg als Geschäftsführer in das elterliche Unternehmen ein, für das er aber 1929 Konkurs anmelden musste.

Schon ein Jahr zuvor war er an das Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware in die Wissenschaft zurückgekehrt. Dort stieg er bis zum Stellvertretenden Forschungsleiter auf. 1942 gab er diese Position auf, um sein eigenes Institut für Industrieforschung zu gründen, das sich auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs bereits mit Fragen des späteren Wiederaufbaus beschäftigte. Die Gründung dieser Forschungsstätte gehört zu den wichtigen Stationen der Vorgeschichte des ifo Instituts. 

Der „Linksdemokrat“ Erhard wird bayerischer Wirtschaftsminister

Erhards erfolgreiches Wirken in der Wirtschaftsbeobachtung, der wirtschaftspolitischen Analyse und bei der Beratung von Praktikern hatten seine politische Karriere vorbereitet. Gleich am Tag nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in seine Heimatstadt Fürth (18. April 1945) stellte sich Erhard bei der Militärbehörde als Wirtschaftsexperte vor und bot seine Dienste an. Am 22. Oktober 1945 wurde er vom amerikanischen Militärgouverneur zum Minister für Handel und Gewerbe in der neuen Bayerischen Staatsregierung ernannt, die vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner geführt wurde. Erhard war damals parteilos und wurde in der Kabinettsliste mit der Bezeichnung „Linksdemokrat“ geführt.

Zum Jahreswechsel 1945/46 schätzte er die Möglichkeiten der bayerischen Regierung beim Wiederaufbau als gering ein. Er erklärte, „eine nur bayerische Wirtschaftspolitik könne die anstehenden Probleme nicht lösen, dies sei nur im deutschen Rahmen und in einer Zusammenarbeit über Deutschlands Grenzen hinaus möglich“. Diese Forderung empfanden manche Regierungskollegen als Provokation. Ludwig Erhard isolierte sich in der bayerischen Politik immer stärker. Nach den ersten Wahlen zum Bayerischen Landtag am 21. Dezember 1946 verlor er sein Amt.

Ludwig Erhard, Joseph Baumgartner und Wilhelm Hoegner in einer Kabinettssitzung, SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
Ludwig Erhard, Joseph Baumgartner und Wilhelm Hoegner in einer Kabinettssitzung, München 1945/46.
Bundeskabinett 1949, SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
Das erste deutsche Bundeskabinett unter Konrad Adenauer 1949 mit dem Bundesminister für Wirtschaft Ludwig Erhard (erste Reihe, links neben Adenauer).

Der Start für den nächsten Karriereschritt

Wieder einmal erwies sich ein beruflicher Rückschlag im Nachhinein als nächste Stufe von Erhards rasantem beruflichen Aufstieg. Denn die Münchener Jahre nach dem Ende des Krieges halfen nicht nur seinen politischen Ambitionen, sondern boten ihm auch die Möglichkeit, sich mit führenden Nationalökonomen und Finanzwissenschaftlern auszutauschen. Dazu hatte er vor allem in der – von Adolf Weber gegründeten – „Volkswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Bayern“ Gelegenheit. Hier erwarb er sich weitere ökonomische Kompetenz, die seine politische Karriere über die bayerischen Grenzen hinaus führte. 1947 leitete Erhard die Sonderstelle „Geld und Kredit“ bei der Verwaltung der Finanzen der britisch-amerikanischen Bizone in Frankfurt, am 2. März 1948 wurde er zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gewählt und war damit für die Wirtschaftspolitik in den westlichen Besatzungszonen verantwortlich. Nach der ersten Bundestagswahl 1949 ernannte ihn Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) im zum Wirtschaftsminister seines ersten Kabinetts.

Das deutsche Wirtschaftswunder

Ludwig Erhard trat vehement für eine freie, soziale Wirtschaftsordnung ein, die in Westdeutschland anderthalb Jahrzehnte lang ein eindrucksvolles Wachstum hervorbrachte. Die Bundesrepublik schaffte es in die vorderste Reihe der Industrie- und Exportnationen.  

Nach 14 Jahren im Amt des Wirtschaftsministers zog Erhard 1963 für nur drei Jahre ins Kanzleramt ein. Meinungsverschiedenheiten über wirtschaftliche und finanzpolitische Fragen führten im Jahr 1966 zum Ende der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP. Noch während Erhards Kanzlerschaft geriet die Bundesrepublik zum ersten Mal in eine Wirtschaftskrise. Schon seit 1960 verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum. Die Kritik an Erhards Sparpolitk wurde immer lauter. Am 10. November 1966 nominierte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Kurt Georg Kiesinger zum Kanzler, am 1. Dezember erklärte Erhard seinen Rücktritt.  

Am 4. Februar 1977 erhielt er anlässlich seines 80. Geburtstags zahlreiche Ehrungen – gut drei Monate später starb er am 5. Mai in Bonn an Herzversagen. Im Sinne seiner Vision erforscht heute das Ludwig Erhard ifo Zentrum für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik in Fürth staatliches Handeln im Lichte neuer Herausforderungen. Zum Gedenken an Erhard wurde der große Vortragssaal im ifo Institut in „Ludwig-Erhard-Saal“ umbenannt.

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Wohlstand für alle, IMAGO / ZUMA/Keystone
Ludwig Erhards Vision „Wohlstand für alle“ wurde nach den finsteren Jahren des Nationalsozialismus für Millionen Deutsche Realität.

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