Im Herbst 1973 reduzierten arabische Ölstaaten als Reaktion auf den Jom-Kippur-Krieg ihre Fördermengen und erhöhten den Ölpreis, der auf dem Markt um das Vierfache stieg. Deutschland, extrem abhängig von den Lieferungen, erlebte bis dahin unbekannte Einschränkungen des täglichen Lebens. Am 25. November 1973 und an drei weiteren Sonntagen galt für den Großteil der Bevölkerung ein Fahrverbot.


Der Nahost-Konflikt und das Öl Embargo
Ägypten und Syrien griffen am 6. Oktober 1973, dem jüdischen Feiertag Jom Kippur, Israel an. Dank amerikanischer Waffenlieferungen konnte eine militärische Niederlage abgewendet werden. Unter dem Druck der USA, der Sowjetunion und der UNO wurde Ende Oktober ein Waffenstillstand vereinbart. Die arabischen Ölstaaten reagierten mit Unverständnis. Sie warfen den westlichen Industrienationen eine einseitige Unterstützung Israels vor und entschieden, ihre Ölvorkommen als Druckmittel im Kampf für die Rechte der Palästinenser*innen zu verwenden.
Am 16. Oktober kamen die Länder des Persischen Golfes überein, den Preis für das begehrte Rohöl „Arabian Light" um 70% zu steigern. Die übrigen Mitglieder der OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) zogen mit. Am 17. Oktober trat ein begrenzter Lieferboykott in Kraft, die Produktion wurde monatlich um 5% verringert. Das Embargo zielte auf die USA und auf die Niederlande, schließlich war Rotterdam der wichtigste Umschlagplatz im europäischen Öl-Handel.
Erdöl stellte für die westlichen Industrienationen die wichtigste Energiequelle dar, seit Jahren war die Nachfrage gestiegen. Allein in der Bundesrepublik Deutschland wurde für 55% des Energiebedarfs importiertes Rohöl eingesetzt, davon stammten 75% aus den arabischen Ländern. Infolge der Ölkrise wurden Heizöl und Benzin in kurzer Zeit erheblich teurer. Die Regierung verordnete Sparmaßnahmen und wollte gleichzeitig mit gutem Beispiel vorangehen: Bundesbehörden sollten weniger heizen und bei der Beleuchtung sparen, für Fahrzeuge des Bundes wurde ein Tempolimit festgelegt. Doch deutsche Normalbürger*innen wollten sich in ihrer Mobilität nicht einschränken lassen, der Benzinverbrauch ging nicht wie erhofft zurück.
Der nächste Schritt
Anfang November 1973 ließ Bundeskanzler Willy Brandt im Eilverfahren das Energiesicherungsgesetz beschließen. Darin wurde unter anderem festgelegt: „Die Benutzung von Motorfahrzeugen kann nach Ort, Zeit, Strecke, Geschwindigkeit und Benutzerkreis sowie Erforderlichkeit der Benutzung eingeschränkt werden". Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen für den autofreien Sonntag geschaffen – oder, mit weniger freundlichen Worten, für das Sonntagsfahrverbot. Es galt zunächst an vier Sonntagen im November und Dezember. Darüber hinaus wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen festgelegt. Ausnahmegenehmigungen gab es nur für Personengruppen wie Polizist*innen, Ärzt*innen, Blumenhändler*innen, Journalist*innen und Taxifahrer*innen.


Kritische Stellungnahme aus dem ifo Institut
Die Abhängigkeit der der westlichen Industriestaaten von Ölimporten und die daraus resultierende Gefahr, die politische Konflikte in Nahost für die wirtschaftliche Zukunft bedeuteten, hatte das ifo Institut schon im August 1973, also vor Ausbruch des Jom-Kippur Krieges, thematisiert. Hildegard Harlander vom ifo Institut hatte Gründe und Ausmaß der Abhängigkeit Westdeutschlands dargestellt und interessante Zukunftsperspektiven für die Gewinnung neuer Energiequellen entwickelt. Im Februar desselben Jahres hatte sie sich eingehend mit der im Jahr zuvor veröffentlichten Club-of-Rome-Studie „Die Grenzen des Wachstums“ beschäftigt. Sie schlägt eine Energieplanung vor, die das „ökologisch zulässige Ausmaß der Energieproduktion“ berücksichtigen und Energieeinsparungsziele formulieren muss.
Das Ende des Ölkriegs – und des deutschen Wirtschaftswunders
Zum Jahresende 1973 beruhigte sich die Lage im Nahen Osten. Die OAPEC-Staaten einigten sich darauf, die Ölproduktion wieder anzukurbeln, hielten jedoch an den Preiserhöhungen fest. In Deutschland entfiel das für 1974 vorgesehene Fahrverbot, das Tempolimit wurde im März abgeschafft. Die deutsche Wirtschaft war jedoch weiter mit den Folgen der Ölkrise konfrontiert. 1974 zahlte die Bundesrepublik für Ölimporte 23 Mrd. DM, eine Steigerung um fast 153% gegenüber dem Vorjahr. Der Pkw-Verkauf verzeichnete dramatische Rückgänge, die Automobilindustrie meldete Kurzarbeit an. Ähnlich deprimierend präsentierte sich die Lage bei den Baustoffherstellern, in der chemischen Industrie und bei der Eisen- und Stahlproduktion. Die Arbeitslosenzahl überschritt 1975 die Millionengrenze.


Die zweite Ölkrise und der Regierungswechsel
Nach dem Sturz von Schah Reza Pahlavi im Januar 1979 verwandelte sich der Iran unter Ajatollah Ruholla Chomeini in eine Islamische Republik. Die politischen Turbulenzen führten zu Förderausfällen bei Rohöl, die Preise stiegen 1981 auf 619 DM je Tonne. Nun mussten 4,85% des BIP für Energieimporte bezahlt werden. Die deutsche Volkswirtschaft schlitterte in eine Rezession, 1983 waren erstmals mehr als 2 Mio. Menschen arbeitslos. Die Preise stiegen, der Sozialstaat wurde beschnitten. 1982 beschloss die Bundesregierung aus SPD und FDP Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen der Sozialversicherung. Außerdem wurde die Anzahl der Unterstützungsberechtigten für die Arbeitslosenversicherung eingeschränkt. Sogar das Kindergeld für das zweite und dritte Kind wurde um jeweils 20 DM gekürzt.
Die FDP sah die Lösung der wirtschaftlichen Probleme in einer weiteren Reduzierung der sozialstaatlichen Leitungen. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und Außenminister Hans-Dietrich Genscher traten außerdem dafür ein, dass der Staat deutlich weniger als bisher in das Marktgeschehen eingreifen sollte. Im Herbst 1982 näherten sich die Liberalen der CDU an. Am 1. Oktober verlor Bundeskanzler Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum sein Amt. Mit den Stimmen der FDP wählten die Unionsparteien den CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl zum neuen Bundeskanzler. Noch im Dezember 1982 wurden für den März 1983 Neuwahlen beschlossen. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP entschied sie mit deutlicher Mehrheit für sich.