Literatur trifft Ökonomie: Umbrüche

Klimakatastrophe, demografischer Wandel, Digitalisierung und Krieg: Was unterscheidet die Perspektiven von Literatur und Wissenschaft auf aktuelle Themen? Werden Umbruchserfahrungen unterschiedlich reflektiert? Welche Handlungsräume zur Gestaltung der Zukunft gibt es?  Darüber diskutierten ifo-Präsident Clemens Fuest, Historiker Philipp Blom und Schriftstellerin Theresia Enzensberger am 3. März 2024 im Literaturhaus.

Diskussion im Literaturhaus MED 04.03.2024
ifo Banner im Literaturhaus, im Hintergrund durch das Fenster Ausblick auf die  Theatinerkirche
Vor schönster Kulisse findet die Diskussion im Literaturhaus statt: Ein Bruch mit Theresia Enzensbergers Roman, in dem sich die Gesellschaft auf die drohende Apokalypse vorbereitet.

Literarische Utopien und Dystopien 

Die Schriftstellerin Theresia Enzensberger erzählt in ihrem Roman „Auf See“ von einer Welt, in der die Vorbereitung auf die Apokalypse alles bestimmt. Eine kleine elitäre Gemeinschaft zieht sich auf eine Insel in der Ostsee zurück, um dort selbstversorgt zu leben – eine Utopie, die zur Dystopie wird. Jeder ist hier auf sich selbst gestellt, handelt eigenverantwortlich. Enzensberger nimmt den Radikalliberalismus erzählerisch auf, denn die Geschichte hat einen wahren Kern: Die Phantasie eines libertären Tech-Unternehmers aus dem Silicon Valley. Ein möglicher Ausweg aus der Dystopie besteht in ihrer Erzählung aus sozialer Fürsorge und Zusammenhalt in der Gesellschaft. 

Lehren aus der kleinen Eiszeit

Philipp Blom, Schriftsteller und Historiker, sagt, dass es schon immer Umbrüche in der Historie gegeben hat: So etwa in der sogenannten Kleinen Eiszeit von der Mitte des 15. Jahrhunderts an, in der Temperaturänderungen von bis zu minus 2 Grad enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen hatten. So wie bei dieser Klimaveränderung und anderen vergleichbaren Umbrüchen in der Geschichte können wir davon ausgehen, dass wir als andere Gesellschaft aus der aktuellen Krise hervorkommen werden. Wie diese andere Gesellschaft aussehen wird, können auch Historiker und Schriftsteller nicht sagen, aber sie können ein Narrativ entwickeln und damit Perspektiven aufzeigen.  

Von Links: Clemens Fuest, Philipp Blom, Theresia Enzensberger
Schriftsteller Philipp Blom (Mitte) blickt als Historiker zurück und zieht Parallelen zu heutigen Umbrüchen.
Clemens Fuest bei der Diskussion
Clemens Fuest vertritt bei der Diskussion die Wirtschaftswissenschaft, ihre zukünftigen Potenziale und Herausforderungen.

Neue wissenschaftliche Theorien gesucht

Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, begleitet die aktuellen Umbrüche mit wissenschaftlichen Arbeiten und politischer Beratung. Die Ökonomie denkt – mathematisch formuliert – darüber nach, wie die Welt in der Zukunft funktionieren kann. Allerdings muss das verbreitete übergroße Vertrauen in die wissenschaftliche Auswertung von Daten und die Möglichkeit, datenbasierte Vorhersagen zu treffen, kritisch betrachtet werden, sagt er. Denn traditionelle wissenschaftliche Methoden sind immer historisch orientiert: Wissenschaftler*innen analysieren Vergangenheitsdaten und lernen daraus für die Zukunft. In Zeiten von Umbrüchen verändern sich die Parameter jedoch so stark, dass diese Herangehensweise an ihre Grenzen stößt. In Zeiten von Umbrüchen und großen Veränderungen muss der Fokus deswegen auf der Theoriebildung liegen, der Entwicklung neuer Modelle, um Aussagen über die Zukunft treffen zu können.  

Den Mitschnitt der Diskussion finden Sie hier:

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