Der ifo Campus: Architektur im Wandel

Das David-Bradford-Haus, Hauptgebäude des ifo Instituts in der Poschingerstraße 5, fügt sich mit seinen gepflegten Fassaden und Säulen im Gründerstil nahtlos in das Villenviertel im Herzogpark ein. Doch was sich hinter dieser Fassade und der des im Anwesen liegenden Adolf-Weber-Hauses verbirgt, war im Laufe der Jahre veraltet und entsprach nicht mehr den Anforderungen eines modernen Forschungsinstituts. Der Architekt Lukas Eibl über den Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Architekten Carla von Münchow und Lukas Eibl auf Stufen im ifo Think Tank
Ein Raum mit Leitern, ausgelegtem Boden, eine Baustelle
Mitten im Umbau: In diesem fensterlosen Raum enstand der neue Think Tank.

Was ist wichtig, wenn man sich Gedanken über eine Modernisierung historischer Bausubstanz macht?
Bei Umbauten im Bestand sollte dezidiert auf das bestehende Gebäude eingegangen werden. Was war der ursprüngliche Ansatz der Erbauungszeit? Welchen Charakter hatte das Gebäude ursprünglich inne, was ist davon noch erhalten? Und welche Besonderheiten haben die Räume? Beispiele dafür im ifo sind etwa die historischen Elemente im Musgrave-Saal oder der Fakt der Fensterlosigkeit beim neuen Think Tank des EBDC. Bei einer Modernisierung geht es dann vielmehr darum, keine künstliche Welt in das bestehende Haus zu implementieren, sondern das Haus aus der eigenen Charakteristik heraus weiterentwickeln. 

Wir sitzen hier im Garden Café, an uns grenzt das hochmoderne EBDC. Die Säle im David-Bradford-Haus wiederum haben einen ganz anderen Stil. Was ist die Idee hinter diesen unterschiedlichen Räumlichkeiten?
Schauen wir uns das Bestehende an: Beim Adolf-Weber-Haus handelt es sich um einen scheinbar profanen Bürobau der 1960er Jahre. Der Charme steckt in der umlaufenden und für das Baujahr typischen sogenannten Bandfassade. Sie ermöglicht den maximalen Blickbezug nach Außen: in den wunderschönen Garten des ifo und auf die denkmalgeschützte Umgebung. Als Kontrast gibt es den innenliegenden, fensterlosen Raum, der zum Studio und Think Tank geworden ist. Die Offenheit und Transparenz der 1960er Jahre waren Impulsgeber. Nadelfilz, Beton, Glas und Jura-Marmor sind vorherrschende Materialien, die mit klassisch-modernen Möbeln kombiniert werden können.

Ansicht auf das Garden Café des ifo Instituts mit angrenzendem Büroraum des EBDC.
Ansicht auf das Garden Café des ifo Instituts mit angrenzendem Büroraum des EBDC.
Nahaufnahme einer Schaltleiste mit USB Anschluss
Modernste Anschlüsse und technische Steuerung gibt es heute am ifo.

Inwiefern spielt der Herzogpark als Umgebung eine Rolle?
Der Münchner Herzogpark mit seiner ihm eigenen Geschichte hat einen besonderen „genus loci“ – einen ihm innewohnenden, eigenen Charakter, den man nicht zerstören sollte; was nicht heißt, dass es keine Veränderung geben kann. Man muss dennoch bei jeder Maßnahme abwägen, wie man vorgeht. Beispielsweise das Thema der Lichtschalter und Steckdosen: Hier steckt heute viel intelligente Steuerung drin, wie USB-Hubs, Anschlüsse für moderne Kameratechnik und die Steuerung der LED-Beleuchtung. Sicher hätte man dies mit großem Aufwand auch in „historisierende Schaltserien“ stecken können. Dies ist nur ein kleines Beispiel. Es zeigt aber: Veränderung ist möglich. Eine Abwägung muss aber stattfinden und das sorgsame Entwerfen bis ins Detail ist entscheidend.

Welche Phasen und Umbrüche hat das Ensemble des ifo Campus im Lauf der Zeit erlebt?
Tatsächlich hat das David-Bradford-Haus eine spannende Geschichte. Die ursprüngliche Villa des Verlegers Alfred Heymel stand mit üppigem Abstand und opulentem Vorgarten weit abgerückt von der Straße auf einem enorm großen Gartengrundstück. In den 1950er Jahren wurde die ursprüngliche Villa in drei Einzelschritten erweitert, um überhaupt für das Institut nutzbar zu werden. Die Villa steckt noch im Kern des heutigen Gebäudes. Viele Beispiele der Nachkriegsarchitektur in München zeichnen sich durch eine reduzierte Architektur mit äußerst eleganten und filigranen Bauteilen aus. Ein Beispiel dafür ist die Maxburg in der Innenstadt. Beim ifo wurde dem bestehenden Gebäude aber mit offensichtlich viel Respekt begegnet – zumindest äußerlich. Auf den ersten Blick erkennt man die ganzen Erweiterungen von außen nicht sofort, obwohl diese – bei gleicher Gebäudehöhe – ein Geschoss mehr aufweisen. Sprossenfenster, gegliederte Putzfassaden und das Mansarddach „versteckten“ den damaligen Neubau. Die Lichthöfe wurden als Zäsur zwischen Neubau und Bestand eingesetzt. Leider wurde aber durch die brachiale Treppe im Inneren, die auch alle Niveaus verbinden muss, wenig sensibel eingegriffen. Dem Wahren des äußeren Scheins begegnete man im Inneren mit einer – für meine Begriffe – zu pragmatischen Haltung.

Blick von unten nach oben in einen der Lichthöfe des ifo
Beim Blick von unten nach oben in einem der Lichthöfe des ifo lässt sich doch erkennen, dass es hier zwei Fassaden gibt. An das bestehende Gebäude wurde großzügig angebaut.
Eines der Fresken im Musgrave-Saal
Zeugnis seiner Zeit: das Fresko im Richard Musgrave Saal.

Eines der offensichtlichsten Zeugnisse der ursprünglichen Räumlichkeiten ist das Fresko im Musgrave-Saal. Wie bettet man ein solch authentisches Kunstwerk in eine Modernisierung des Saals ein?
Auch hier gilt es, das schon Vorhandene zu nutzen. In der Raummitte hängt jetzt eine Leuchte der Wiener Werkstätten, der Entwurf stammt aus dem Jahr 1905, die durch die schlichte Erscheinung nicht alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und dennoch aus historischen Materialien zusammengesetzt ist. Die Wandmalereien hingegen, die vorher eher wenig Beachtung fanden, setzen nun moderne Kontur-Strahler in Szene. Diese sind so eingestellt, dass nur das Kunstwerk illuminiert wird und es fast scheint, als würde dieses von innen heraus zu leuchten beginnen. Sind die Strahler an und man betritt den Raum, wird im Prinzip ein Museumserlebnis geboten, denn genau dieser Ausleuchtung ist die Inszenierung um die Fresken nachempfunden. 

Sind Ihnen am ifo noch andere, interessante und historische Objekte begegnet?
Die Frage nach „Historie“, „Authentizität“ ist insofern interessant, als dass das ifo-Hauptgebäude über die gesamte Zeit seines Bestehens eben sehr viele Eingriffe und Veränderungen erfahren hat. Es sind also tatsächlich kaum weitere Originalteile des Hauses erhalten. Man will dennoch keinen Bruch evozieren, sondern alles im Geiste der 1900er Jahre entwickeln, ohne zu rekonstruieren. Darin steckt auch der Gedanke von Nachhaltigkeit – warum nicht bereits Vorhandenes wiederverwenden, wenn es sich anbietet? Beispielsweise ist ein altes Rednerpult erhalten geblieben, wurde aber neu und in schwarz lackiert. Oder der Tresen in der Lounge, der trägt inzwischen ein neues „Kleid“ – und ist jetzt mit Filz verkleidet. 

Für Interessierte: Führung durch die ifo Gebäude im Rahmen der "Architektouren" am 30. Juni 2024 – Informationen bei der Bayerischen Architektenkammer.

Nahaufnahme des Filz-Bezugs vom Tresen in der ifo Lounge
Alter Tresen im neuen Kleid: Anhand von Filz erhielt der Tresen in der Lounge eine neue Aufwertung.

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